Nur Özalp

 
 
‘ÖrtÜ’
 
Nur Özalp
 
 
Siebdrucke/Collagen/Adaptionen
 
 
26.November 2011 – 14.Januar 2012
 
Vernissage: 26.November 2011 19Uhr
 
 
örtü {Substantiv} auch: Yatak, Battaniye, Dam, Deri, Maske
Decke {f} Tagesdecke, Bettdecke, Schlafdecke, Hülle, Haut
Die türkische Malerin Nur Özalp beschäftigt sich mit ihren eigenen und den Veränderungen von Gewohnheit, Brauchtum, Tradition, Kultur, Gesellschaft und benutzt die Aussteuerdecke (Örtü) ihrer Mutter symbolisch für Zudecken, Unterdrückung, Tabu, Geheimnis, Versteck, Schweigen, Verschleierung, Aufdecken, Veränderung, Emanzipation im Denken wie im Fühlen und die eigene substantielle Sprachfähigkeit als Signal, über Orient und Okzident generell nachzudenken.
 
 
“As time passes by the language is in a state of erosion, not only does the dictation but also the words become obsolete. A break off. A new position. This state of breaking off interests me. The posture in photographs, the expression of ones self changes with time. In this matter, I am here and I observe. The posture in photographs, the expression of a person differentiates with time. This is indication of the evolution of the person’s consciousness. And this nestles in my drawings with scripture. The fabrics I use are in a way me myself, being a woman, and my mother. Some people thought it over, planed it for consumption, a material loaded with pop(ular) meanings. My work perspective is to use the material with its already saturated meaning and to bend this towards painting.”
 
Nur Özalp

 

Foto: HD Seibt
Eine abgründige Romantik
 
VON ESTHER SLEVOGT
 
 
 
PORTRÄT Die kulturelle Identität und die Anpassung an den Westen: Die
türkische Künstlerin Nur Özalp verhandelt in ihren Collagen Sehnsucht
und Verluste – ausgestellt in der Galerie bauchhund salonlabor.
 
 
Das Mädchen mit den traurigen Augen zum Beispiel. Es sieht den Betrachter aus
einer Arbeit der türkischen Künstlerin Nur Özalp an: eine Art Wandteppich, ein
überdimensionales Patchwork aus alten Stoffen und vergrößerten Fotografien, aus
Schriftstücken, Spitzenbordüren und einer alten Postkarte von der Hafenstadt
Izmir. All das scheint eine lineare Geschichte zu erzählen, die Geschichte des
Mädchens eben, deren Lebensstufen man auf der Arbeit zu erahnen meint. Doch
längst sind die Motive der alten Fotografien in den Stoff eingegangen wie das
junge Mädchen in die Zeit.
 
Die Enge der Muster
 
Der melancholische Sog, der von den Bildern von Nur Özalp ausgeht, trügt. Die
üppigen Designs und prächtigen Ornamente trügen ebenso wie eine gewisse Traum-
verlorenheit, die die abgebildeten Menschen auszeichnet. Männer und Frauen
gleichermaßen, deren Fotografien die Künstlerin per Siebdruck auf alte Möbel-
oder Kleiderstoffe druckt, sodass deren Design und die alten Fotografien sich
gegenseitig durchdringen. So haben die Gesichter der abgebildeten Menschen
plötzlich zarte Muster, werden am Ende selbst zu Ornamenten, deren gelegent-
lich fast plakative Spießigkeit manchmal auch das Gefühl für die Enge der
von diesen Mustern beherrschten Lebensentwürfe vermittelt.
 
Die Fotografien und Schriftstücke sind zufällige Fundstücke. Selten kennt Nur
Özalp die Menschen, deren Lebensspuren sie zu Tableaus einer Gesellschaft im
Aufbruch verarbeitet hat. Belkis kennt sie zum Beispiel, die Nur Özalp als
alte Frau Fotos und Dokumente ihres Lebens schenkte, die sie zu einer „Belkis”
überschriebenen Serie verarbeitet hat. Wir sehen Belkis als etwa zwölfjähriges
Mädchen, im Garten vor einem schönen Haus. Gedruckt ist das Foto aus den späten
vierziger Jahren auf einen zartgelben Seidenstoff mit einem seriellen Blatt-
muster, der einmal ein Sommerkleid gewesen sein könnte.
 
Ein anderes Bild zeigt die inzwischen etwa dreißigjährige Belkis mit ihrer
Schwester vor einer aufdringlich gemusterten Tapete abgebildet, Anfang der
sechziger Jahre vielleicht. Wiederum gedruckt auf einem stark gemusterten
Stoff, sodass der Gesamteindruck des Bildes fast klaustrophobisch ist, so
sehr beherrscht werden die Abgebildeten von der Ornamentik, aus der es kein
Entkommen zu geben scheint. Da können die beiden Frauen sich mit ihrer ele-
ganten, an der westeuropäischen Mode orientierten Kleidung und den glamourös
geschminkten Gesichtern noch so sehr dagegen auflehnen.
 
Begegnung und Konflikt
 
„Die islamische Kunst hat ja lange nur das Ornament gekannt“, sagt Nur Özalp,
als ich sie in ihrem Weddinger Atelier besuche. Erst in der Mitte des 19. Jahr-
hunderts habe ein osmanischer Pascha seine beiden Söhne zum Studium nach Paris
geschickt, wo sie mit gegenständlicher Kunst in Berührung kamen. Der Enkel die-
ses Paschas, Osman Hamdi Bey, ein bedeutender osmanischer Politiker und als
Maler Pionier der gegenständlichen Kunst, gründete 1882 die Akademie der Schönen
Künste in Istanbul, an der fast hundert Jahre später auch Nur Özalp studierte.
Und so sind ihre Arbeiten bis in Material und Verarbeitungsweise höchst dialek-
tisch gedachte Auseinandersetzungen mit Fragen von kultureller Identität und
Geschichte.
 
Ihre Werke übersetzen die Auseinandersetzung der osmanischen Oberschicht mit
der westeuropäischen Kunst Ende des 19. Jahrhunderts in die nicht immer ganz
schmerzfrei verlaufenen Bemühung einer weltlichen türkischen Mittelschicht, die
sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen eigener Tradition und
dem amerikanisiertem westeuropäischen Lebensstil zu orientieren suchte. Eine
Schicht, aus der Nur Özalp selbst stammt, 1953 in Izmir als Tochter eines
Richters und einer Englischlehrerin geboren.
 
Seit diesem Wochenende zeigt die kleine Neuköllner Galerie „bauchhund” Arbeiten
der Künstlerin, die sowohl in Berlin als auch in Istanbul zu Hause ist. „Örtü”
ist die Ausstellung überschrieben, was übersetzt so viel heißt wie „Decke”. Denn
Hauptmotiv ist eine alte blaue Tagesdecke aus der Aussteuer ihrer Mutter: auf
den ersten Blick ein aufwändig gestepptes bürgerliches Prachtstück, wie es in
den späten vierziger Jahren auch gediegene Gelsenkirchener Barockschlafzimmer
hierzulande hätte zieren können.
 
Osmanische Nelken
 
Erst aus der Nähe fallen die zarten rosa Nelkenornamente auf, die den Stoff
durchziehen – ein wichtiges Symbol der osmanischen Ikonografie, wie Nur Özalp
sagt. Zu den aufgedruckten Fotografien gehört auch die jahrzehntealte Aufnahme
einer Militärparade am 29. Oktober, dem türkischen Nationalfeiertag, Jahrestag
der Gründung der modernen Türkei durch Atatürk 1923.
 
Die alten Stoffe und Fotografien atmen die alte Zeit und die Sehnsucht nach
heimatlicher Geborgenheit. Die Gesichter der Menschen erzählen aber auch von
der Fremdheit in den neuen Lebensentwürfen und den westlichen Garderoben. Vom
Druck, den dieser Spagat zwischen Tradition und Emanzipation produziert haben
muss. Und so kann man in Nur Özalps komplexen Kunstwerken viel über die tür-
kische Kultur und Geschichte des 20. Jahrhunderts erfahren. Über den Kampf
der Frauen um Identität und Selbstbestimmung. Von der Unauflöslichkeit des
Konflikts, dass die Anpassung an den Westen und sein Ideal der offenen Gesell-
schaft nicht ohne Abstriche an der eigenen Identität zu haben war.
 
Özalps Bilder erzählen davon mit einer fast filmischen Bildkraft, sind von
ungestümer impressionistischer Sinnlichkeit und abgründiger Romantik ebenso
durchdrungen wie vom agitatorischen Pathos der Pop-Art. Man kann in diesen
Bildern lesen. Aber man kann sich auch einfach nur in sie versenken.
 
 
Quelle: taz, ESTHER SLEVOGT: Eine abgründige Romantik, 30.11.2011
 
 
Nur Özalp: „Örtu”. Siebdrucke, Collagen, Adaptionen. Bis 14. Januar 2012,
Galerie bauchhund salonlabor, Schudomastrs. 38, Neukölln

 

Foto: HD Seibt

 

 

 

 

 

Fotos: HD Seibt

 
 
 
 
 

5 Jahre Rixdorfer Jazzsalon

 
 
 
5 Jahre Rixdorfer Jazzsalon
3/4/5. November 2011 
 
Drei Tage Konzert, Session,
Ausstellung und Party

 
mit allen Musikern, Gästen und Nachbarn. Jeweils ab 20Uhr
 
Fr., 4. Nov. / Konzert 21Uhr – 23Uhr
Gianni Mimmo und Harri Sjöström  Eintritt 5/4 €uro
 
Das Sopransaxophon Duo präsentiert die CD ‘live at bauchhund’
 

 
A multi-perspective sound dance, warm and harsh, smooth and direct, intriguing and true.
 
 
HARRI SJÖSTRÖM-Info: www.harrisjostrom.com
 
GIANNI MIMMO-Info:   www.amiranirecords.com
Ausstellung im Rahmen von 5 Jahre Rixdorfer Jazzsalon
 
 
ALENA KUČEROVÁ ⁄ ANTONIA STEFANOVA DUENDE ⁄ CHRISTINA SUDFELD
Grafik − JazzZeichnungen − YorkschlösschenJazzMusikerPortraits
ALENA KUČEROVÁ − Grafik
 

 
 
ANTONIA STEFANOVA DUENDE − JazzZeichnungen
 
 

 
 
CHRISTINA SUDFELD − YorkschlösschenJazzMusikerPortraits
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fotos: HD Seibt

 
 
 
 
 

Konzert 18.08.2011

18. August 2011, 21Uhr
 
 
the bob
and
the baer

 
 

 
 
Bob Rutman  Bow Chimes
Steve Baer  Saxophon
 
 

 

 

Fotos: HD Seibt

 
 
 
 
 

sehen und gesehen werden

sehen und gesehen werden

 
4 Künstler – 4 Positionen
 
 
  fotografie/installation  6.8. – 17.9.2011
  VERNISSAGE 6.8.2011, 19 UHR
 
 
 
BERNHARD BAUCH  ‘i met’
Installation
 
  i met / ich traf / ich sah / ich sehe.
  ich sehe menschen / ich sehe mobile geräte /
  ich sehe mobile geräte statt menschen
  mobile geräte sehen mobile geräte statt menschen /
  mobile geräte sehen mobile geräte /
  mobile geräte sehen menschen /
  mobile geräte sehen mich
  ich sehe dich

 
  Info zu ‘i met’
 
 
 
ELENA CAPRA  ‘i as you’
Fotografie
 

 Foto: Elena Capra
 
  Selbstportraits auf der Suche nach einer objektiven Identität.
  Jedes einzelne davon repräsentiert eine Möglichkeit des Ichs.
  Das Subjekt erkennt sich, nimmt sich wahr, im Moment der
  Kommunikation mit jemand anderem, der als Spiegel fungiert.
  Gleichzeitig wird dadurch ein neues Bild der wahrgenommenen
  Person erzeugt.

 
  Info zu ‘i as you’
 
 
 
ANDI GUNTERMANN  ‘recognition composition’
a face detection application
 

 Foto: Andi Guntermann
 
  Eine anonyme Datensammlung stellt moderner Sicherheitstechnik
  die Sinnfrage: Gesichter werden fotografisch aufgenommen, binär
  erkannt und dann sofort unkenntlich gemacht. Denn man muss erst
  etwas erkennen, um dann das Erkannte unkenntlich machen zu können.

 
  Info zu ‘recognition composition’
 
 
 
FLORIAN REISCHAUER  ‘public viewing’
fotografie
 

 Fotos: Florian Reischauer

 

ursprünglich beobachteten die drei überlebensgroßen polaroid-portraits den anonymen öffentlichen raum und wurden ihrerseits von fragenden passanten angestarrt. nun, im white cube – die drei vereint auf engem raum – entsteht eine neue eigenwillige art der kommunikation von ‘sehen und gesehen werden’
 
  Info zu ‘public viewing’
 
 

 

 

 
 
 
 

 

 

 

 
 
 

Fotos: HD Seibt, 2011

Dienstag, 13. September 2011, 20:00 Uhr
 
 
Boris von Brauchitsch im Gespräch mit den Künstlern von sehen und gesehen werden
 
 
Die aktuelle Ausstellung sehen und gesehen werden bringt vier Positionen junger Künstler zusammen und lotet das Spannungsfeld von Identität und Erkennbarkeit, Eigenwahrnehmung und medialer Observation aus. Der Bogen ist vom intimen fotografischen Selbstportrait bis zur anonymen Interaktion im virtuellen Raum gespannt. In der extremen Konfrontation von Formaten und Medien, die hier auf engem Terrain versucht wird, erhebt sich die Frage nach der eigenen, räumlich erfahrbaren Präsenz. Zerfällt hier ein Raum – oder wird er erweitert? Sind wir auf unsere zerbrechliche physische Existenz zurückgeworfen, oder öffnen wir uns in neue Dimensionen?

 

 

Fotos: HD Seibt, 2011